
In diesem Artikel möchte ich dir die Strategie und das Handelskonzept von Jesse Livermore, einen der berühmtesten Trader des zwanzigsten Jahrhunderts erklären. Dabei gehe zunächst auf sein bewegtes Leben ein. Anschließend wird seine Idee in der Theorie und im nächsten Schritt in der Praxis erläutert. Ich habe dir viele Beispiele mitgebracht. Weil ich nicht gerne „shorte“ und selbst den Long-Bias besitze, zeige ich dir ausschließlich Beispiele für steigende Kurse. Alles was du hier liest, kannst du auch einfach umkehren und Short nutzen. Aus einem 52-Wochen-Hoch wird dann eben ein 52-Wochen-Low und aus einem Swing Low ein Swing High.
Das Leben von Jesse Livermore
Geboren im 19. Jahrhundert hat sich Livermore einen Namen als Short-Seller gemacht. Er verdiente Millionen US-Dollar und er verlor Millionen US-Dollar. Wer nicht glaubt, dass die Börse ein stetiges auf und ab ist, der sollte sich intensiv mit ihm beschäftigen, denn langweilig wurde es bei Livermore nie. Sowohl privat, als auch im Trading musste er viele Rückschläge hinnehmen. Am Ende erschoss er sich in einem New Yorker Hotel.

Einen sehr bekanntes und aussagekräftiges Zitat von Livermore, der mit vollen Namen übrigens Jesse Lauriston Livermore geheißen hat, war das Folgende:
Das Spiel der Spekulation ist das am meisten gleichmäßig faszinierende Spiel der Welt. Aber es ist kein Spiel für die Dummen, die geistig Faulen, die Person von minderer emotionaler Balance oder dem „werde schnell reich“ Abenteurer. Sie werden arm sterben.
Video: Wer war Jesse Livermore? Ein kurzes Video über sein Leben und sein Trading.
Die Tradingstrategie von Jesse Livermore in der Theorie
Das Research nach Jesse Livermore
Das Zeichnen von Charts war damals noch Handarbeit. Kein Wunder also, dass Livermore sich von den geeigneten Kandidaten nur die neuen Hoch- und Tiefpunkte notierte. Die alles entscheidende Frage lautet jedoch, wie finde ich passende Aktien für ein Setup nach Livermore?
Er beurteilte nie ausschließlich eine Aktie, sondern immer mehrere aus einer Industriegruppe. Innerhalb der sogenannten „industry group movements“ pickte er sich die Leader heraus. Als Leader gelten im Sinne der Definition Livermores Aktien, die die Rallye der Industrie oder Branche anführen.
Um ein Gefühl für bullische Branchen zu bekommen, solltest du über Wochen hinweg die Wirtschaftspresse, zum Beispiel über unsere Aktien im Fokus verfolgen. Zudem kannst du dir die Tops und Flops anschauen. Fallen Werte aus der gleichen Branche auf, dann ist das ein Indiz für die Stärke und du solltest die Werte beobachten. Natürlich kannst du auch über das 52-Wochen-Hoch gehen. Aktien mit einem stetigen Kursanstieg gehören auf die Watchlist. Eine Liste potenzieller Kandidaten bekommst du beim Broker oder bei einer Börsensoftware.

Der Einstieg nach Jesse Livermore
Nachdem du dir die ersten Werte mit einem neuen Hoch in die Watchlist gelegt hast, wartest du bis diese Konsolidieren. Sobald die Korrektur vorbei ist und das alte 52-Wochen-Hoch überschritten wurde, steigst du ein. Klassisches Breakouttrading.

Der Ausstieg nach Jesse Livermore – Trend Following
Livermore bediente sich dem Konzept vom Trendfollowing. Als Trendfolger gibst du dem Markt oder deiner Position etwas mehr Luft zum Atmen. Nach Livermore wird eine Trendwende eingeleitet, wenn der Kurs um mehr als 10 Prozent korrigiert. In diesem Fall wird die Position verkauft.
Wo du deinen Exit-Stop platzierst, hängt von dir ab. Eine Möglichkeit wäre, diesen unterhalb des letzten Swing-Lows zu setzen. Bei jeder neuen Korrektur schiebst du den Stop nach. Problem ist nur, wenn die Bewegung zu aggressiv ist, denn dann bilden sich keine neuen Korrekturtiefs heraus. In dem Fall kannst du mit Indikatoren arbeiten, die nicht unterschritten werden dürfen oder du legst einen prozentualen Abstand fest.
Die Positionsgröße nach Jesse Livermore
Viele angehende Trader machen den Fehler, dass sie ihren Einstandskurs verbilligen. Das heißt, während sie long sind und der Kurs fällt, kaufen sie nach. Livermore arbeitete da streng nach seiner Überzeugung:
Verkaufe stets, was Verluste macht und behalte die Positionen, die im Gewinn liegen.
Es wird lediglich prozyklisch aufgestockt und auch nur dann, wenn die Position schnell in den Gewinn läuft. Dabei engagierte er sich von Beginn an nie komplett in einen Wert. Seine Idee war es zum Beispiel 1.000 Aktien einer amerikanischen Firma zu kaufen. Im ersten Schritt legte er sich 250 ins Depot und baute anschließend seine Position Stück für Stück aus. Ein Aspekt, der in unserer „Goldenen Investmentregel“ ebenfalls genannt wird.
Die Tradingstrategie von Jesse Livermore in der Praxis
In der Vergangenheit legten chinesische Internetunternehmen fulminante Kursanstiege hin. Damit haben wir eine trendstarke Branche identifiziert – Der totgesagte Social-Media-Boom lässt grüßen oder anders geschrieben, der Vergleich mit der Dotcom-Blase hinkte an allen Ecken und Enden.
Bekannte Vertreter sind Facebook, Twitter, Weibo (chinesische Twitter) und natürlich der Alphabet Konzern mit Zugpferd Google. Wobei letzteres wegen den geringen Gewicht von Google Plus nicht mit in die Betrachtung fließt.
Tradingstrategie Weibo

Tradingstrategie Twitter

Tradingstrategie Facebook

Ein weiteres anschauliches Beispiel sind Amazon und der chinesische Konkurrent Alibaba:
Tradingstrategie Alibaba

Tradingstrategie Amazon

Abschließende Worte zum Handelskonzept nach Jesse Livermore
Jesse Livermore gilt auch heute noch, knapp 80 Jahre nach seinem Tot als Inspiration und Vorbild für viele Trader. Zum Abschluss des Gastartikels noch einige seiner Weisheiten:
- Stelle dich nicht gegen den vorherrschenden Trend im Markt.
- Teste deine Idee und gehe nicht mit der vollen Position in einen Wert hinein.
- Halte an den Gewinnern fest und verkaufe die Verlierer.
- Setze auf die Leader der Branche.
- Verbillige nicht deine Position.
- Kaufe, wenn neue Hochs erreicht wurden.
- Der Markt hat niemals Unrecht.
In diesem Sinne hoffe ich, dass ich dir die Idee hinter dem Handelsstil von Jesse Livermore etwas näherbringen konnte. Du merkst, dass es gar nicht so schwer ist und dennoch profitabel. Auch wenn Livermore bei seinem Tod „nur“ noch fünf Millionen Dollar an Vermögen hatte, so hat er doch ganz unten angefangen und es zeitweise auf über 100 Millionen Dollar gebracht.
Martin Brosy
Über Martin Brosy
Martin Brosy ist Trader und Unternehmer. Seine Expertise gibt er in über 200 Videos auf https://www.trademy.de/ an seine Kunden weiter.
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